Die episodische Point-and-Click-Abenteuer-Reihe Bear With Me von Indie-Entwickler Exordium Games ist als Complete Edition sowie der spielbaren Vorgeschichte The Lost Robots für Android, iOs, Nintendo Switch, Xbox One, PC sowie PlayStation 4 erhältlich. Letztere Version haben wir genauer unter die Lupe genommen.
Wer hat Angst vorm Roten Mann?
Das Komplettpaket erzählt zwei Geschichten: In The Lost Robots sollen die vorausgehenden Ereignisse der restlichen drei zusammenhängenden Episoden beleuchtet werden. Leider ist der Beginn und insbesondere der Übergang des Prequels zur Hauptgeschichte misslungen. Im Grunde genommen ist es sogar überflüssig und dient lediglich dazu, die Figur namens Flint vorzustellen. Alles andere ist für den Fortgang der Story erstaunlich irrelevant. Wer also möchte, kann diese nachträglich entwickelte Episode getrost überspringen. Im Hauptmenü lassen sie sich ohnehin separat auswählen.
In der Hauptgeschichte erwacht die zehnjährige Amber aus einem schlimmen Albtraum. Ganz Paper City, wo Menschen mit Plüschtieren und Robotern zusammenleben, befindet sich in großer Aufregung: Der Rote Mann treibt brandstiftendes und mordend sein Unwesen, zudem ist Flint verschwunden. Besteht da etwa ein Zusammenhang? Ein Fall für den Privatdetektiv im Ruhestand, Ted I. Bär (Ted E. Bear). Dieses miesepetrige, Karottensaftsüchtige Stofftier ist der unbestrittene Star in Bear With Me. Da ist es schon verwunderlich, warum er in den ersten Stunden des Abenteuers als ständiger Begleiter zur Nebenfigur degradiert wird und nur kurzzeitig selbst die Pfote erhebt. Doch Geduldige werden spät belohnt, wenn man ihn häufiger übernehmen darf und die blasse Amber vernachlässigen kann.
Nicht nur in dieser Hinsicht wurde Potenzial verschenkt. Zwar wird der schwarzweiße Noir-Stil konsequent über die Gesamtspieldauer von sechs bis sieben Stunden durchgezogen, doch mangelt es dem Geschehen an Höhepunkten. Wenn man etwas nennen müsste, dann sicherlich die stimmungsvoll kommentierten Zwischensequenzen als Comic-Strip oder dezente popkulturelle Anspielungen. Insgesamt behalten Stimmungskiller aber die Oberhand, beispielsweise bei den langatmigen sowie ausufernden Gesprächen mit nur wenig nützlichem Informationsgehalt. Dadurch wirkt die kurze Spielzeit gestreckt und stellenweise stellt sich sogar Langweile ein. Schade auch, dass außerhalb der Cutscenes kaum mit Perspektivwechseln experimentiert wird, wenn man schon auf typische Merkmale des Film Noir zurückgreift. So bleibt eher der Eindruck haften, dass man mit den gängigen Klischees die sichere Nummer gewählt hat. Gleichwohl tröstet das Abenteuer mit emotional berührenden Szenen über viele Unzulänglichkeiten hinweg.
Das kleine Point-and-Click-Einmaleins
Spielerisch richtet sich Bear With Me an Genre-Einsteiger. Fortgeschrittene und Profis werden ungeachtet fehlender Hilfen mit den simplen Rätseln unterfordert sein. Das Ermittlerteam unterhält sich dabei erstaunlich wenig über Hinweise zu den Untersuchungen. Dabei wird Spielern klassische Standardkost aus Kombinations- und Dialogknobeleien vorgesetzt, weil das übersichtliche Inventar nur eine handvoll Objekte fasst und viele gefundene Gegenstände häufig an Ort und Stelle eingesetzt werden. Löblich ist die überwiegend deutliche Erkennbarkeit der nutzbaren Dinge.
Erst in der abschließenden Episode wird es anspruchsvoller, wobei die letzte halbe Stunde mit einem labyrinthartigen Abschnitt sowie dem Abklappern von Türen auf der beschwerlichen Suche nach den richtigen Hinweisen an den Nerven zehrt. Gelegentliche Minispiele wie Briefschnipsel zusammenfügen oder Cocktails mixen stellen eine willkommene Abwechslung dar. Das Spieltempo kommt ohne jegliche Hektik aus und ist sehr gemütlich. Mit einem Doppelklick kann zumindest der schnelle Schauplatzwechsel erzwungen werden, was bei den provokant langsamen Bewegungsanimationen der Charaktere eine Wohltat ist. Anhand der Übersichtskarte von Paper City lassen sich interessante Orte direkt anwählen, wenn man sie denn aufgrund des schwachen Kontrasts erkennt.
Zweckmäßige Technik
Herausstechendes Merkmal ist offensichtlich die schwarzweiße Noir-Optik. Alle Plüschtiere sind liebevoll gestaltet sowie in abwechslungsreicher Vielzahl vorhanden: Neben dem Teddybär trifft man beispielsweise auf eine fürsorgliche Giraffe, den zwielichtigen Hai-Unterweltboss, ein Kraken als Barkepper, das Bürgermeister-Schweinchen oder uniformierte Hunde mit markanten Schnurrbärten. Im Gegensatz dazu wirken die menschlichen Charaktere eher einfallslos und blass. Auffällig ist die Tatsache, dass speziell zu Beginn viele Animationen unvollständig wirken, was sich im Laufe der Spielzeit geringfügig bessert.
Deutlich vielfältiger wird es mit fortschreitender Dauer hinsichtlich der Schauplätze. Bewegen sich Amber und Bär nämlich in der ersten Episode ausschließlich innerhalb eines Hauses mit nur wenigen Räumen, öffnet sich Paper City fortan. Dann gibt es auch Ausflüge zu interessanteren Orten wie Bars oder Casinos. Verbunden sind diese Wechsel jedoch immer mit kurzen Ladepausen. Englische Sprachausgabe, deutsche Untertitel und stimmungsvoller Soundtrack fügen sich gelungen ins Ambiente.
Fazit von Christian Schmitz
Bear With Me ist ein solider Vertreter seines Genres mit Stärken und Schwächen. Die vornehmlich simplen Rätsel sowie das beinahe schon provokant langsame Spieltempo vermiesen den interessanten Mix aus Film Noir plus kindlich-naiver Plüschfantasie entscheidend. Point-and-Click-Abenteuer-Fans dürfen einen Blick mit dem Knopfauge riskieren.