Die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio werfen ihren Schatten voraus: Acht Monate bevor das Fackelfeuer die Schale erhellt, erscheint exklusiv für Nintendo Switch eines von vier angekündigten Videospielen von Sega. 20 kunterbunte Figuren aus dem Mario- und Sonic-Universum messen sich auf der Hybridkonsole.
Olympia in Tokio – da war doch was…
Bereits 1964 wurden die traditionellen Spiele in Japans Hauptstadt ausgetragen. Um diese Thematik herum wurde offenbar der Story-Modus erdacht: Mario, Sonic, Bowser und Dr. Eggman finden sich nach einem kuriosen Vorfall mit einer Retrokonsole in genau jene Zeit zurückversetzt. Witziges Detail: Sämtliche Figuren und Umgebungen erstrahlen in klassischer 2D-Optik der 8- und 16-Bit-Ära. Die optische Charme-Offensive kommt gut an, denn die Handlung wechselt immer wieder zwischen Szenarien der modernen 2020-Variante und der 1964-Vergangenheit ab. Leider schöpft die Geschichte das Potenzial nicht weiter aus: Die Dialoge sind entweder gehaltlos bis zäh und relativ lieblos präsentiert. Auf einer Übersichtskarte läuft man zwischen den Sportstätten hin- und her, um sich in den kleinen Arealen abseits der Sportaktivitäten oberflächliche Gespräche und Hintergrundinformationen abzuholen. So bleiben Langzeitmotivation und Event-Atmosphäre auf der Strecke.
Hier fehlt doch was!
Völlig unverständlich und für ein Videospiel dieser Art ein absolutes No-Go sind fehlende Wettkampf- oder Turniermodi: Es ist schlicht und ergreifend keine eigene Zusammenstellung von Disziplinen möglich. So bleibt alles im kleinen Rahmen, die Atmosphäre eines sportlichen Großereignisses kommt so natürlich nicht auf. Stattdessen sind die unterschiedlichen Disziplinen lediglich einzeln im Schnellspiel anwählbar. Der Name ist hier Programm, denn der Großteil von 34 Auswahlmöglichkeiten ist zügig beendet, beispielsweise 100-Meter-Lauf, 110-Meter-Hürden, Dreisprung, usw.. Daneben offenbaren sich einige nervige Knopfgehämmer- oder QTE-Orgien wie Bodenturnen. Dass Sportarten wie Fussball, Surfen, Badminton oder Tischtennis stark vereinfacht sind, ist da nur konsequent. Für die schnelle und anspruchslose Daddelei zwischendurch eignen sie sich trotzdem. Übermächtige Spezialaktionen stören bei einigen Disziplinen die Balance der drei wählbaren Schwierigkeitsstufen. Wirklich gelungene Varianten wie Bogenschießen, Sportklettern sowie die insgesamt drei Traum-Wettbewerbe zu Rennfahren, Schiessen und Karate finden sich trotzdem.
Bedienungstechnisch kommt sowohl die klassische Tasten- als auch Bewegungssteuerung mit den Joy-Con-Controllern zum Einsatz. Letzere fühlt sich mitunter etwas fummelig und unpräzise an. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Genre mit diesem Ableger keine nennenswerte Fortschritte macht sondern sich nach wie vor wie Genre-Urgesteine aus dem Jahr 1984 anfühlen – Klassiker wie Summer Games lassen grüßen. Am meisten Freude bringt das Spiel noch im lokalen Mehrspielermodus für bis zu vier Spieler gleichzeitig. Online herrscht trotz Ranglisten schon kurz nach dem Startschuss gähnende Leere, die Server sind während unserer Testsessions trotz mehrfacher Versuche zu unterschiedlichen Tageszeiten bedenklich leer und es kommt nur zu wenigen Begegnungen. Wenn es dann doch mal klappt, sind die Partien ungleich reizvoller als noch allein.
Optischer Erfolg
Grafisch macht das Sportspiel einiges her – nicht zuletzt durch die optisch gelungene Abwechslung zwischen modernen und pixeligen Szenarien. Die bunten Figuren bewegen sich flüssig wie schön animiert durch die Wettbewerbe und die kompakten Areale, so wie man es von Nintendo/Sega seit Jahren gewohnt ist. Auch die Geräuschkulisse ist solide, der durchwachsene Soundtrack könnte manche Ohren stören.
Fazit von Christian Schmitz
Das ist wohl der klassische Schnellschuss, der trotz großem Potenzial nicht so richtig zünden will. Bis zu den Olympischen Sommerspiele ist es noch eine ganze Weile hin, die Entscheidung im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft unbedingt vorher zu veröffentlichen geht auf Kosten der Qualität. Ein halbes Jahr zusätzlicher Entwicklungszeit hätten dem Produkt sicher nicht geschadet. In der aktuellen Verfassung ist das Sportspiel trotz gewohntem Charme eine Enttäuschung: Fehlende Wettkampf- und Turniermöglichkeiten, ein verschenkter Story-Modus, leere Online-Server sowie viele uninspirierte Sportarten, die genauso bereits vor über 30 Jahren spielbar waren. Nur für knallharte Fans des Mario- und Sonic-Universums.