Hoppla, das gehörte wohl zu den eher untypischen Ankündigungen während der Spielemesse E3 2018: Eine Moderatorin der EA-Veranstaltung nimmt neben Respawn-Entwickler Vince Zampella (u.a. Titanfall 2) im Publikum Platz, dieser spricht in aller Kürze erstmalig über ein neues Spiel in der Mache, nämlich Star Wars Jedi: Fallen Order. Nach etwa zwei Minuten ist das Gespräch ohne Videos oder Bilder beendet. Ungewöhnlich für das wertvollste Franchise des Universums, dessen Ruf unter Videospielern unlängst durch Battlefront gelitten hat. Doch die Macht meint es gut mit dem ambitionierten Singleplayer-Hoffnungsträger.
Mächtige Magic Moments
Chronologisch beginnt das Abenteuer einige Jahre nach den Geschehnissen des Films zu Episode III – Die Rache der Sith. Wir erinnern uns: Der Notfallbefehl Order 66 wurde ausgerufen und fast alle Jedi des Alten Ordens fielen der anschließenden Zerschlagung zum Opfer. Zu den wenigen Überlebenden zählt Padawan Cal Kestis, der das Aussehen von Jungschauspieler Cameron Monaghan spendiert bekam (bekannt aus TV-Serien wie Gotham und Shameless) und somit für die Rolle ambitioniert besetzt ist. Bei einem Unfall nutzt er kurzzeitig die Macht und wird fortan vom Imperium erbarmungslos gejagt. Zur Seite stehen ihm dabei der treue Droide BD-1 sowie eine Raumschiffcrew um die ehemalige Jedi Cere Junda und dem kauzigen Piloten der Stinger Mantis, Greez Dritus. Während des Abenteuers kommt es bis zum unterwältigenden Finale natürlich zu Begegnungen mit alten Bekannten.
Komplett neu erdacht ist der Plot nicht, denn ähnlich wurde sie bereits in den Büchern Ahsoka und Eine neue Dämmerung geschildert. In einem Videospiel hingegen ist die Ausgangssituation relativ frisch, auch wenn die beliebte Wahlmöglichkeit zwischen den Seiten dadurch wegfällt. Die düstere Grundstimmung spricht von Beginn an vorrangig erwachsene Spieler an und bleibt trotz vereinzelter Albernheiten über weite Strecken erhalten, wobei die Spielzeit je nach Schwierigkeitsgrad und Komplettierungsanspruch zwischen zehn bis dreißig Stunden variieren kann. Zwar weist du Handlung gelegentliche Leerlaufpassagen auf, gerade deshalb freut man sich über jede qualitativ hochwertig gerenderte Zwischensequenz oder findet Audio-Erinnerungsfetzen in der Umwelt verteilt, die wiederum vergangene Schicksale Preis geben. Zur Kategorie „Magic Moments“ zählen gelungene Skript-Ereignisse in Spielgrafik wie beispielsweise der imposanten Begegnung mit einem Riesenvogel, der ersten AT-ST-Auseinandersetzung oder der Übernahme des vierbeinigen AT-ATs à la Shadow of the Colossus. Außerdem wird in interessanten Rückblenden die Ausbildung des jungen Padawan beleuchtet.
Lieber gut geklaut…
Mit griffigen Lichtschwertkämpfen und spaßigen Machtfähigkeiten erwarten Fans eine konsequente Weiterentwicklung von Star-Wars-Singleplayer-Titeln wie Jedi Knight oder The Force Unleashed aus der Third-Person-Ansicht. Außerdem ist Jedi: Fallen Order ein Best-of von beliebten Spielmechaniken der letzten Jahre. Action- und Kletterabschnitte schielen in guten Momenten in die Richtung von Uncharted. Das verschachtelte Leveldesign erinnert stark an Metroid Prime, Castlevania oder Darksiders, was konsequenterweise bedeutet, dass es an manchen Stellen erst weiter geht, wenn Cal die entsprechende Fähigkeit oder den bestimmten Gegenstand besitzt.
Zur besseren Orientierung dient eine holografische Übersichtskarte, die manchmal konträr für Verwirrung sorgt und deswegen häufig nachjustiert werden muss. Glücklicherweise gibt es auf den Planeten genügend offensichtliche Orientierungspunkte. Rätsel plus schwammige Sprungeinlagen erinnern an Tomb Raider, agile Wandläufe an Prince of Persia und so mancher Gigantismus an Shadow of the Colossus sowie God of War. Aus den letzten Mittelerde-Ablegern hat man sich Elemente des Nemesis-Systems genauer angesehen. Schade, dass es diesbezüglich statt dynamischer Hierarchien nur oberflächliche Gegnerkommentare gibt. Fans von Raumschlachten gucken übrigens verdutzt in die Röhre, denn das Abenteuer bleibt immer bodenständig.
Zu guter Letzt stellen die so genannten Soulslikes (Dark Souls, Bloodbourne, Sekiro) eine unübersehbare Inspirationsquelle dar: Insbesondere auf den höheren von vier Schwierigkeitsstufen kommt die Erfahrung in puncto Anspruch den Vorbildern nahe, weil abseits der Standardscharmützel regelmäßige Auseinandersetzungen mit zähen Zwischen- und Bossgegnern anstehen. Die Klasse der Vorbilder erreicht Jedi Fallen Order selten. Zusätzlich zur Lebensanzeige verfügen alle Widersacher über eine Haltungsleiste. Aber auch wir müssen neben der Lebenskraft auf Ausdauer- und Machtkapazitäten achten, das richtige Timing bei Abwehr und Offensive ist essentiell. Wichtig nach gelungenen Paraden sind effektive Konterattacken oder die Reflektion von Schüssen.
Clever sind bei solchen Gelegenheiten die Machteinsätze: Feinde können zum Vorteil des Spielers beispielsweise verlangsamt, herangezogen oder abgestoßen werden. Aber Vorsicht vor unblockbaren Angriffen, wenn Rivalen kurzzeitig rot glühen. Dann hilft meist nur die beherzte Ausweichrolle. Humanoide verlieren übrigens keine Körperteile, bei tierischen bzw. mechanischen Aggressoren sieht die Sache schon mal gerne anders aus. Geht eine Begegnung verloren, verbleiben alle Erfahrungspunkte seit der letzten Investition in die sinnvollen Fähigkeiten beim siegreichen Feind, bis Cal diese erfolgreich zurück ergattert.
An großzügig verteilten Meditationskreisen kann er sich im wahrsten Sinne des Wortes ausruhen und so Lebenskraft regenerieren. Nachteil der Aktion: Sämtliche bereits erledigte Gegner sind wieder mit von der Partie. Mit den gesammelten Erfahrungspunkten lassen sich Fähigkeiten auswählen, in erster Linie Lebenskraft, Machtkapazität, Lichtschwertschaden sowie besondere Offensiv- und Defensivaktionen. Droiden-Begleiter BD-1 hackt sich in Stationen, scannt Umgebungen und besiegte Feinde nach hilfreichen Informationen ab, lässt sich zudem an bestimmten Stellen mit sinnvollen Upgrades erweitern. Wurde hier schon erwähnt, dass er in bester Star-Wars-Tradition ein wirklich knuffiger Begleiter ist?! Bei der nächsten Party von C3PO, R2-D2 und BB-8 dürfte er ein gern gesehener Gast sein.
Ansonsten gibt es erstaunlich wenig Komfort, denn statt gemütlicher Schnellreisepunkte in den weitläufigen Arealen sind freispielbare Abkürzungen und Backtracking an der Tagesordnung. Ist ein Ziel erreicht, geht es notfalls den gleichen Weg wieder zurück zum Raumschiff. Weil die fünf erkundbaren Planeten mehrmals angesteuert werden, kennt man sich irgendwann bestens aus, kennt Position von Freund und Feind, Stock und Stein dann zwangsweise aus dem Effeff. Zusätzlich gibt es noch mehrere lineare Story-Missionen, die nicht nachträglich erforscht werden können. Unbefriedigend sind die Inhalte der teilweise schwer erreichbaren Kisten. Glücklicherweise sind es zwar keine Lootboxen, aber es dürfte gerne etwas mehr sein als kosmetische Items für Lichtschwert oder Poncho. Tatsächlich schlummern ausnahmsweise auch mal Macht- und Lebensessenzen in den Behältern. Das ist dann ein Grund zur Freude.
Legoklötzchen, Mehrspieler und Mikrotransaktionen
Nein, nein, nein.
Die gute und böse Seite der Technik
Handwerklich ist die Konsolenversion ein zweischneidiges Schwert. So ist die Kamera in Kämpfen in wenigen Situationen nicht optimal positioniert und verliert das Geschehen sporadisch aus dem Fokus. Die Unreal Engine 4 stößt stellenweise an ihre Grenzen und hat auf der Standard-PS4 gelegentlich mit nachladenden Texturen, Pop-ups, enttäuschenden Gesichtsanimationen, hässlichen Wookies, langen Ladezeiten sowie unregelmäßigen Ruckeleinlagen zu kämpfen. Zumindest letzteres konnte mit Updates mittlerweile verbessert werden, auf der PS4 Pro relativeren sich diese Probleme.
Abseits dieser Ungereimtheiten ist Jedi: Fallen Order jedoch hübsch anzusehen mit schönen Arealen, fantastischen Hintergründen, imposanten Aussichten, tollen Animationen, sehenswerten Effekten und der insgesamt gelungenen Umsetzung von lieb gewonnenen Star-Wars-Elementen zu einem stimmungsvollen Gesamtwerk. Insbesondere die späteren Dschungelpassagen von Kashyyyk sind atemberaubend und bilden mit dem idyllischen Bogano einen tollen Kontrast zu eher trostlosen, unwirtlichen Planeten wie Zeffo oder Dathomir. Über jeden Zweifel erhaben sind wie gewohnt Soundtrack, Geräuschkulisse und Synchronisation.
Fazit
Star Wars Jedi: Fallen Order hat mich von der untypischen Ankündigung bis hin zum Abspann nach dem Durchspielen überrascht. Erstaunt bin ich, wie unpoliert und bewusst unkomfortabel der Titel daherkommt, sich obendrein noch so großzügig bei anderen Spielen bedient und trotzdem so viel Spaß macht. Als Gegenentwurf zu Games as a Service eine gelungene Abwechslung und das vielleicht beste Star-Wars-Singleplayer-Abenteuer seit The Force Unleashed und Republic Commando.