Das Beste kommt zum Schluss – getreu diesem Motto gibt es zum ausklingenden Jahr eine wahre Flut an Videospielen. Nicht selten erscheinen für Gamer noch Geheimtipps oder sogar Highlights wie es 2018 beispielsweise Gris und Super Smash Bros. Ultimate waren. Die Switch-Version von The Nightfall gehört in keine dieser Kategorien.
The Reinfall
Verantwortlich für das Horrorspiel, das bereits seit Anfang 2018 für den PC erhältlich ist, sind die deutschen Indie-Entwickler VIS-Games. Bereits mit Pineview Drive (zum Review) sowie Joe’s Diner sorgten sie auf verschiedenen Plattformen für zweifelhafte Vergnügen. Trotz der mangelhaften Qualität hat sich jedoch eine kleine Fangemeinde gebildet, die an den günstigen Produktionen Gefallen findet. Immerhin werden Let´s Plays zu diesen Machwerken gerne auf gängigen Videoportalen geklickt. Objektiv betrachtet ist aber auch The Nightfall in jeder Hinsicht ein Reinfall.
Zur Story: Hauptprotagonistin Victoria soll die erste Nacht allein im neuen Haus übernachten, weil Kind und Kegel noch auf sich warten lassen. Schlaflos wandelt sie durch das neue Eigenheim. Bis zum nächsten Morgen kommt es zu gruseligen Geschehnissen, die leider ihre Wirkung aufgrund der misslungenen Umsetzung völlig verfehlen. Anstatt unerwarterter Ereignisse reiht sich ein vorhersehbares Klischee an das nächste: Objekte verschieben sich wie von Geisterhand oder tauchen plötzlich auf, Klingelstreiche, Meerschweinchen in der Mikrowelle, lebendig wirkende Puppen und irre Clowns dürfen natürlich nicht fehlen. Unglaubwürdig bis dämlich wird es, wenn die Frau wegen verschlossener Türen trotz unzähliger Alternativen (geöffnete Fenster, usw.) keine Fluchtmöglichkeit nutzen will. Die unlogische Handlung wird vornehmlich durch willkürlich im Haus verteilte Zettel erzählt, nach etwa sechs bis acht Spielstunden ist der Spuk vorbei.
Die unterste Schublade
Spielerisch offenbart sich schon nach kurzer Zeit die einfallslose VIS-Formel, sich planlos in der Ego-Perspektive durch die kompakte Umgebung zu bewegen, um Räume nach hilfreichen Objekten abzusuchen. Das macht keinen Spaß und artet schnell in langweiliger Routine aus. Wenn man ansatzweise etwas positiv erwähnen möchte, sind es die theoretisch zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten. In der Praxis verpuffen Neugier und Forschungsdrang schnellstens, weil viele Schubladen leer oder immer wieder mit den gleichen Gegenständen bestückt sind: Streichhölzer, Schlüssel, Kerzen oder Batterien.
Letztere können unsinnigerweise erst dann aufgenommen werden, sobald die Taschenlampe im Besitz ist. Kurzzeitig wird es interessant, wenn Kassetten für das Radio oder Disketten für die Spielkonsole entdeckt werden. Die interaktiven Umsetzungen von Arcade-Klassikern wie Space Invaders oder Pac-Man lassen tatsächlich kurzzeitig so etwas wie Spaß aufkeimen. Man kann auch alle Eier aus dem Kühlschrank nehmen, eine Pizza in den Backofen schieben und den Vibrator im Schlafzimmer nutzen, um… – Ach, lassen wir das lieber. Zumindest funktioniert das alles bedienungstechnisch ordentlich.
Augen zu und durch
War insbesondere die Konsolenversion von Pineview Drive technisch fehlerhaft umgesetzt (Ruckler, Soundbugs), bleibt das vorliegende Ergebnis von diesen vermeidbaren Ärgernissen größtenteils verschont. Trotzdem bewegt sich The Nightfall auf einem schwachen grafischen Niveau: Das baukastenartig zusammengestellte Gesamtbild ist detailarm, lieblos, simpel, steril und kantig. Ein besonderes Lowlight sollte an dieser Stelle Erwähnung finden, wenn Victoria vor dem Spiegel folgendermaßen kommentiert: „Hm, ich habe kein Spiegelbild. Entweder bin ich ein Vampir oder die Performance der Engine hat es einfach nicht hergegeben.“ Es gibt noch weitere Kommentare dieser Kategorie, aber das soll sinnbildlich für die lustlos vorgetragenenen deutschen Texte mit hohem Fremdschäm-Faktor genügen. Bitte in diesem Zusammenhang den Dildo NICHT anklicken. Soundkulisse sowie Musik sind hingegen solide. Den Soundtrack steuert übrigens die Synth-Rock-Gothic-Band Northpolyptica bei.
Fazit von Christian Schmitz
Hier könnte auch unser Fazit zu Pineview Drive stehen, denn The Nightfall scheitert ebenso am Grundkonzept. Spielerisch, grafisch und handlungstechnisch bewegt man sich auf ganz dünnem Eis. Statt Grusel gibt es Fremdschäm-Momente am Fließband. Doch kleinste Lichtblicke sind erkennbar. Handwerkliche Fehler konnten reduziert werden und Interaktionsmöglichkeiten sind nun deutlich umfassender, auch wenn Neugier und Forschungsdrang wegen dem schwachen Design schnell verpuffen. Die Idee mit den Arcade-Klassikern ist hingegen nett.